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Presseinformation vom 27. Februar 2018

Dem Immobilienboom geht die Luft aus

Die Kaufpreise in Berlin, München und Stuttgart könnten um ein Drittel sinken, heißt es in einem neuen Gutachten. Wird das zur Gefahr für die Volkswirtschaft?

Seit Jahren kennen die Mieten und Immobilienpreise in Deutschlands Ballungszentren nur eine Richtung: steil nach oben. Was die Eigentümer freut, treibt all jene zur Verzweiflung, die auf der Suche nach einem neuen Zuhause sind. Aber womöglich nicht mehr lange. Glaubt man dem Rat der Immobilienweisen, dann ist der Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht. In einigen großen Städten könnten die Preise demnächst sogar sinken. 

„Die Party ist wirklich endgültig vorbei“, sagte Harald Simons, Vorstand des Analysehauses Empirica, als er am Dienstag mit seinen Kollegen das Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft an das Bundesbauministerium übergab. Dass die Mieten und Kaufpreise im vergangenen Jahr noch einmal kräftig gestiegen sind, hält er für ein letztes Aufbäumen des Marktes. Simons ist sich sicher: „Es bleibt nicht bei diesem Niveau.“ Vielmehr sagt das mehr als 300 Seiten dicke Gutachten voraus, dass zumindest in Berlin, München und Stuttgart die Kaufpreise in den kommenden vier Jahren sinken werden – um ein Viertel bis ein Drittel. Erst am Montag hatte die Bundesbank gewarnt, in Deutschlands Metropolen seien Immobilien 35 Prozent zu teuer.

Es gibt verschiedene Gründe, warum die Regierungsberater in einigen Städten einen Preisrückgang erwarten. Der wichtigste aus der Sicht von Simons: „Die Jungen bleiben weg.“ In den vergangenen Jahren habe vor allem der Zuzug der 20- bis 30-Jährigen die Nachfrage und damit auch die Preise in den Städten in die Höhe getrieben. Doch die Jungen könnten sich München oder Berlin schlicht nicht mehr leisten. Sie zögen nun in andere, günstigere Städte, etwa Passau oder Leipzig.

Auch sonst schwächt sich die Nachfrage ab. Die Zuwanderung, sei es durch Flüchtlinge oder Südeuropäer auf der Suche nach Arbeit, ist rückläufig. Zugleich wurde zuletzt so viel gebaut wie lange nicht. 2017 sind laut Gunther Adler, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, 320 000 Wohnungen in Deutschland fertig geworden. In diesem Jahr sollen es rund 350 000 sein. Dies würde in etwa dem Bedarf entsprechen, den Fachleute immer wieder nennen. In München, Stuttgart und Frankfurt werde das neue Wohnungsangebot die neue Nachfrage gar erstmals seit Jahren übertreffen. Wenn die Preise noch weiter stiegen, dann allenfalls kurzfristig, so der Tenor der Gutachter, zu denen auch der Wirtschaftsweise Lars Feld gehört.

Im vergangenen Jahr ging es allerdings noch mal ordentlich nach oben. Im bundesweiten Durchschnitt stiegen die Mieten in Neuverträgen um 4,3 Prozent. Berlin verzeichnete mit 7,6 Prozent auf 9,10 Euro je Quadratmeter den größten Zuwachs. Absoluter Spitzenreiter war München mit 15,10 Euro. Auch die Kaufpreise legten noch einmal deutlich zu: um 7,9 Prozent. Am größten war der Zuwachs in Frankfurt mit 16,9 Prozent auf 4030 Euro je Quadratmeter. Am teuersten war wieder München mit 6500 Euro je Quadratmeter.

Dass die Kaufpreise seit dem letzten Wendepunkt auf dem Immobilienmarkt im Jahr 2009 so viel stärker gestiegen sind als die Mieten – 61 Prozent gegenüber 26 Prozent –, führt das Gutachten vor allem auf die Nullzinspolitik der EZB zurück. Im Vergleich zu den Konditionen des Jahres 2008 könnten Kaufwillige mit den heutigen Zinsen einen 39 Prozent höheren Kredit finanzieren. Wenn die Immobilienpreise nun tatsächlich sinken sollten, sieht Lars Feld aber dennoch keine Gefahr für die Volkswirtschaft als Ganzes. Denn betroffen seien nur einige wenige Städte. Zudem sei der Eigenkapitalanteil in Deutschland weiter hoch.

Kritisch sieht das Gremium die Pläne von Union und SPD, etwa ein Baukindergeld einzuführen und die Abschreibungssätze zu erhöhen. Dies seien zwar grundsätzlich sinnvolle Maßnahmen, „aber vielleicht nicht gerade jetzt, kurz vor der sich abzeichnenden Spitze des Wohnungsmarktzyklus“. Denn damit würde die Politik den Rückgang der Wohnungspreise verzögern – den Bürgern also nichts Gutes tun, eher im Gegenteil.

Die Gutachter erinnerten auch daran, dass Preisrückgänge auf dem Wohnungsmarkt nichts Ungewöhnliches sind. Zwischen 2004 und 2009 seien die Mieten in Deutschland nominal konstant geblieben, die Kaufpreise sogar um 8 Prozent gesunken. In der Schweiz würden die Neuvertragsmieten seit 2015 sinken. Vermutlich müssten Mieter in begehrten Lagen auch in Zukunft noch um Wohnungen rangeln. „Aber vielleicht zieht der Satz ,Ich habe da noch ein anderes Angebot‘ wieder in den Sprachgebrauch ein.“

Artikel aus der FAZ-Online

 

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